Konzept und Werkbegriff. Die plastische Gestaltung in der Architekturausbildung.
Prof. Michael Schulze, Inhaber des Lehrstuhls Plastik am Fachbereich Architektur der RWTH, fordert eine neue Handwerklichkeit in der Ausbildung von Gestaltungsberufen, um eine zurückgedrängte aber wesentliche Basis für das Ausüben jedweden gestalterischen Berufes zu legen. Die Arbeit mit dem Material sieht er als Schulung, die durch die zunehmend entmaterialisierte mediale Lehr- und Lernumwelt nur schlecht vermittelt werden kann. Ein wesentliches Potential der handwerklichen Gestaltungsausbildung sieht er in der Befähigung zum konzeptuellen Denken.
“Die Ausbildung plastischer Gestaltungskompetenzen in angewandten Berufen hat deshalb aktuell an Bedeutung gewonnen, da diese Qualifizierung elementare Fähigkeiten des Menschen beansprucht, mit denen computergesteuerte Programme überfordert wären”
Interessanterweise werden diese Überlegungen nicht bei anderen Texten zu diesem Themenfeld frei oder vom Werk/Berufsbild/Artefakt ausgehend, sondern entlang der Darstellung des Lehrkonzeptes entwickelt. Der Autor legt anschaulich Didaktik, Ziele und Wege dar und bewertet die Ergebnisse. Hierbei grenzt er künstlerische Beschäftigung, wie sie im plastischen Gestaltungsunterricht Usus ist von künstlerischer Tätigkeit ab.
“Als Lehrer muss ich mir jedoch Gewissheit verschaffen, dass eine Aufgabe die speziellen Aspekte der Fähigkeitsbildung sozusagen selektiv freistellt, eingrenzt und relativ zielgenau verfolgt sowie Anforderungen an die materialgeeignete Umsetzungstechnik nachvollziehbar macht. Daher: Kunst kann ein Geheimnis haben, Gestaltungslehre aber sollte diametral dazu ihr Ziel offenlegen können.”
In der Anlage seines Unterrichtes bezieht er sich u.a. stark auf Niklas Luhmann:
“Als Lehrer und Studierender sind wir gemeinsam Beobachter erster Ordnung (N. Luhmann) in der Betrachtung der Dinge aus Realität und Wirklichkeit. Wir nehmen diese wahr und beschreiben sie mit trivialen Begriffen. Als Künstler und Lehrer bin ich mir meiner Erfahrungen als Beobachter zweiter Ordnung bewusst, nämlich das trivial-vorhandene Beobachtete in einen neuen Zustand – durch Konzept, Form und Material – übersetzen zu können. Diese Kompetenz ist ein Kernpunkt künstlicher Gestaltungslehre. Der Studierende soll Methoden erlernen, die ihn in die Lage versetzen, im Idealfall zum Beobachter zweiter
Ordnung zu werden.”
Interessant, weil ebenfalls leider eher selten zu lesen, empfand ich die Beschreibung und Gliederung des Unterrichtes in Prozessphasen. Diese zeigt nicht nur anschaulich welchen Verlauf das Lernen im Laufe eines Semesters in dieser Unterrichtsform nimmt, sondern leitet auch Gruppengrößen und Vor- und Rahmenbedingungen ab.
Neben der Ableitung und Darlegung seines Lehrkonzeptes ist ein zweiter wesentlicher Teil des Buches eine Zusammenstellung von Kursen, Beschreibungen und deren Ergebnissen in Bild und Wort.